Das Fachwerk gehört zu den ältesten und prägendsten Bauarten in Deutschland

Die Entstehung des Fachwerkbaus

Der Fachwerkbau stellt eine der ältesten und charakteristischsten Bauweisen Deutschlands dar. Beim Fachwerkbau handelt es sich um eine Skelettbauweise aus einem tragenden hölzernen Gefüge aus senkrechten Ständern, die mit Holzriegeln verbunden und mit diagonalen Streben statisch stabilisiert werden. Die ersten Fachwerkhäuser entstanden bereits im 14. Jahrhundert, als der Bedarf an kostengünstigen Häusern stieg.

Die Vorläufer unserer heutigen Fachwerkbauten waren einfache Hütten und Pfostenbauten. Beim Pfostenbau wurden die senkrechten Holzstützen des Hauses in den Erdboden eingegraben. Die Nachteile des Pfostenbaus mit der schnellen Fäulnisbildung an den im Erdreich eingegrabenen Pfosten führten zur Entwicklung der Fachwerkbauweise.

Der Fachwerkbau ist in Deutschland weit verbreitet und prägt viele Regionen, insbesondere in Mitteldeutschland, im Norden und Süden. Besonders viele Fachwerkhäuser findet man in Bundesländern wie Niedersachsen, Hessen, Thüringen, Sachsen-Anhalt, Sachsen, Baden-Württemberg und Bayern (vor allem Franken).



Traditionelle Materialien
und Bauweise

Die Zwischenräume (Gefache) werden traditionell mit einem verputzten Holz-Lehm-Geflecht oder mit Mauerwerk ausgefüllt. Die Hauptmaterialien waren regionaltypisch verfügbare Rohstoffe: Eichenholz für das tragende Gerüst, Lehm vermischt mit Stroh für die Ausfachungen, und Kalk für den schützenden Putz.

Das Holz wurde meist unbehandelt verwendet, da die natürlichen Gerbstoffe der Eiche bereits einen gewissen Schutz boten. Die Gefache bestanden aus einem Flechtwerk aus Weidenruten oder Eichenstaken, das mit einem Lehm-Stroh-Gemisch verputzt wurde. Dieser "Wellerlehm" regulierte auf natürliche Weise die Luftfeuchtigkeit im Gebäude.



Die Handwerksmeister
des Fachwerkbaus

Die ersten Fachwerkhäuser haben Zimmermannstradition und wurden bereits im fünften Jahrhundert nach Christi in Deutschland erbaut. Der Bau eines Fachwerkhauses erforderte verschiedene Handwerksmeister: Der Zimmermann war der wichtigste Handwerker, der das hölzerne Tragwerk plante und errichtete. Er beherrschte komplexe Holzverbindungstechniken ohne Nägel oder Schrauben.

Weitere beteiligte Gewerke waren der Maurer für die Fundamente und Ausfachungen, der Lehmputzer für die Gefache, der Dachdecker für die Eindeckung und der Schmied für die wenigen benötigten Metallteile wie Türbeschläge und Werkzeuge.



Wer konnte sich
Fachwerkbauten leisten?

Fachwerkbauten sind seit der ersten Hälfte des 7. Jahrhunderts bezeugt, seine Blüte fand der Fachwerkbau im 16. und einem Teil des 17. Jahrhunderts. Entgegen der heutigen Wahrnehmung als rustikale Bauweise war Fachwerk ursprünglich durchaus auch für wohlhabende Bürger und Kaufleute attraktiv.

Die Kostengünstigkeit des Fachwerkbaus machte ihn für alle Gesellschaftsschichten zugänglich – von einfachen Bürgerhäusern bis hin zu repräsentativen Rathäusern und Patrizierhäusern. Die Verzierungen und die Qualität der Ausführung spiegelten jedoch den sozialen Status wider: Reiche Kaufleute ließen kunstvolle Schnitzereien und aufwändige Konstruktionen anfertigen.



Schwächen der Fachwerkbauweise

Trotz ihrer Langlebigkeit hatte die Fachwerkbauweise auch Nachteile: Brandgefahr war das größte Risiko, da Holz und Stroh leicht brennbar waren. Schädlingsbefall durch Holzwürmer und Hausbock konnte die Konstruktion schwächen. Die Wärmedämmung war nach heutigen Standards unzureichend, was zu hohen Heizkosten führte.

Feuchtigkeit stellte ein dauerhaftes Problem dar: Eindringendes Wasser konnte das Holz zum Faulen bringen und den Lehm auswaschen. Die Instandhaltung war aufwändig - Putz musste regelmäßig erneuert, Holz gestrichen und beschädigte Teile ersetzt werden.



Die verhängnisvollen Sanierungen
der 1960er-70er Jahre

Die Bebauung auf dem Lande, sowie in kleineren und mittleren Städten wird bis etwa 1870 von Fachwerkhäusern geprägt. Holzbalkendecken waren bis in die 1960er-Jahre weit verbreitet im Hausbau. In den 1960er und 1970er Jahren wurden viele Fachwerkbauten mit modernen Putzfassaden "saniert", um sie zeitgemäß erscheinen zu lassen.

Diese Maßnahmen stellten sich als katastrophal heraus: Die historische Bausubstanz wurde unter dicken Putzschichten versteckt, was nicht nur den Charakter der Gebäude zerstörte, sondern auch bauphysikalische Probleme schuf. Die diffusionsdichten Putze verhinderten das natürliche "Atmen" der Wände und führten zu Feuchteproblemen.



Auch die Kommunen befürworteten das Verdecken des Fachwerks

In den 1960er- und 1970er-Jahren galten Fachwerkhäuser vielerorts als „altmodisch“ und unmodern. Zeitgemäß erschien damals eine glatte, saubere Fassade, wie sie für die Neubauten der Nachkriegszeit typisch war. Das sichtbare Fachwerk wurde dagegen häufig als armselig, rückständig oder sanierungsbedürftig betrachtet.

In zahlreichen Städten unterstützten die Kommunen deshalb Maßnahmen, bei denen die Holzbalken überputzt oder sogar vollständig entfernt wurden, um ein moderneres Stadtbild zu schaffen. Diese Eingriffe hatten jedoch gravierende Folgen: Durch das Überputzen konnten die Holzkonstruktionen nicht mehr ausreichend austrocknen, was zu erheblichen Feuchteschäden und Fäulnis führte. Was damals als fortschrittliche Sanierung verstanden wurde, gilt heute als bauliche Zerstörung von historischem Bestand.



Das Umdenken und
die Denkmalpflege

Fachwerkgebäude machen heute etwa ein Drittel des Baudenkmalbestandes aus. Die denkmalgerechte Erhaltung von Fachwerk muss bei heute erforderlichen Veränderungen und modernen Ergänzungen eingehalten werden. Erst in den 1980er Jahren setzte ein Umdenken ein, als man erkannte, welche kulturhistorischen Werte durch die "Modernisierungen" verloren gingen.

Die Denkmalpflege begann verstärkt auf die Erhaltung und fachgerechte Restaurierung von Fachwerkhäusern zu setzen. Gleichzeitig entwickelte sich ein neues Bewusstsein für die bauphysikalischen Qualitäten der traditionellen Bauweise und ihre Bedeutung für das Stadtbild.



Schwierigkeiten bei
der Wiederherstellung

Die Sanierung historischer Fachwerkhäuser erfordert individuelle Lösungen, da sie nicht mit standardisierten Produkten modernisiert werden können. Die Rückgängigmachung der 1960er-70er Jahre Schäden gestaltet sich oft schwierig: Unter den Putzschichten können bereits erhebliche Schäden am Holzwerk entstanden sein.

Abgesägte Balken müssen aufwändig rekonstruiert werden, oft unter Verwendung historischer Holzverbindungstechniken. Die Kosten sind erheblich, und es fehlen häufig Handwerker mit den notwendigen traditionellen Fertigkeiten. Zudem müssen moderne Anforderungen an Wärmedämmung und Brandschutz erfüllt werden, ohne die historische Substanz zu gefährden.



Fazit und Erkenntnisse
für den modernen Holzbau

Die Geschichte der Fachwerkbauweise lehrt uns wichtige Lektionen für den heutigen Holzbau. Die jahrhundertelange Bewährung dieser Bauweise zeigt, dass nachhaltiges Bauen mit regionalen Materialien nicht nur möglich, sondern auch dauerhaft erfolgreich ist.

Für den modernen Wohnungsbau in Holzbauweise lassen sich folgende Erkenntnisse ableiten: Die Bedeutung der Bauphysik - historische Fachwerkbauten "atmen" und regulieren die Feuchtigkeit natürlich. Moderne Holzbauten sollten diese Prinzipien aufgreifen und diffusionsoffene Konstruktionen bevorzugen.

Regionalität und Nachhaltigkeit: Die Verwendung regionaler Hölzer und traditioneller, ökologischer Materialien wie Lehm und Kalk bietet auch heute noch Vorteile. Die Reparierbarkeit und Anpassungsfähigkeit von Fachwerkbauten ist ein Vorbild für modulare, nachhaltige Architektur.

Die Fehler der 1960er-70er Jahre mahnen zur Vorsicht vor pauschalen "Modernisierungen" und zeigen die Wichtigkeit, bewährte Prinzipien zu respektieren und weiterzuentwickeln, statt sie zu ersetzen. So kann der moderne Holzbau von der jahrhundertelangen Erfahrung der Fachwerkbaumeister profitieren und zukunftsfähige, nachhaltige Wohnkonzepte entwickeln.